Tech Review: Magure HS 11 Rim Brakes

Deutschland - Anfang Februar 2019

 

Review: Magura HS 11 Hydraulische Felgenbremsen

Um es kurz zu machen: Diese Bremsen sind meiner Meinung nach völlig ungeeignet für eine längere Radtour.

 

Warum?

Unsere Räder wurden mit dern HS 11 ausgeliefert und zu Beginn war ich total überzeugt von ihnen und war total stolz jetzt ein Rad mit diesen Bremsen zu haben.

Doch es dauerte nicht lange, da war ich schon wieder ein wenig entgeistert. Das Bremsgefühl, was ich erwartet hatte, blieb aus. Eigentlich sollte man bei diesen Bremsen deutlich weniger Kraft in den Fingern aufbringen müssen um die gleiche  Kraft auf die Bremsen zu bringen als bei den "normalen" V-Brakes.
Ich kann nur sagen, das stimmt einfach nicht oder fühlt sich auf gar keinen Fall so an. 
Das wurde jetzt - nach der Tour - auch nochmal bestätigt als wir auf der Suche nach einem Stadt-Rad für Lena waren. Beim Probefahren war zuerst ein Rad mit V-Brakes dran und danach eines mit Magura Felgenbremsen. Der Berater meinte noch, dass Lena erst mal einen Bremstest machen soll, weil sie ja jetzt diese hydraulischen Bremsen fahren würde und sich nicht erschrecken sollte. Direkt nach dem ersten Versuch meinte Sie dann nur, dass die um länger schlechter sind als die V-Brakes davor. Das kann in diesem Fall auch eine Frage der Einstellung gewesen sein - Die Vorführräder im Laden müssen ja nicht immer perfekt eingestellte Bremsen haben. Es hat uns jedenfalls erneut bestärkt diese Bremsen einfach doof zu finden.

Es gibt darüber hinaus noch diverse andere Gründe diese Bremsen als ungeeignet für eine solche Tour zu empfinden...

 

1. Demontage

Man kann die eine Seite der Bremse mit dem angebauten Hebel sehr leicht auch ohne Werkzeug öffnen. Das ist an sich ganz nett. Es hilft allerdings recht wenig, wenn man auch die andere Seite lösen muss. Wir hatten den Fall, dass unsere Räder im Schlamm förmlich versackt sind und einfach alles voll war mit diesem Zeug und nichts mehr ging. Der Schlamm hatte sich zwischen Felge und Bremse gesetzt und auf diese Weise dafür gesorgt, dass die Räder blockierten. Eine normale V-Brake hätte man einfach aushängen können. So hätten die Beläge genügend Abstand gehabt und das Rad hätte die Chance sich weiter zu drehen.

Nicht so bei der Magura. Mindestens eine Seite kann man nicht mal so eben lösen. Da müsste man dann schon mit Werkzeug ran und das erneute Anbauen ist auch deutlich aufwendiger als einfach die V-Brakes wieder einzuhängen.

2. Ersatzteile

Entscheidet man sich für die Magura, dann muss man auch entsprechende Ersatzteile mitnehmen. Es kann immer passieren, dass man stürzt und die Hydraulik-Leitung bricht/reißt. Genauso kann am Griff etwas brechen und selbst wenn man es selber nicht reparieren kann, so ist es äußerst sinnvoll die Ersatzteile dabei zu haben. In Hanoi/Vietnam bspw. gibt es Radläden, die durchaus die Fähigkeiten haben an den Bremsen zu operieren, Ersatzteile allerdings nicht auf Lager haben und erst bestellen müssten. Das frisst im Zweifel sehr viel Zeit, die man vielleicht nicht hat. Das gleiche gilt für das Hydraulik-Öl und das entsprechende Equipment um dieses in das Bremssystem zu füllen. Ist die Bremse nämlich undicht oder die Leitung mal gerissen, dann muss man nachfüllen - und das geht leider nicht mit Rapsöl.

Hinzu kommt, dass man bei einem größeren Schaden beinahe nirgendwo Ersatzteile wie z.B. einen neuen Griff bekommt. Ich würde sogar sagen, dass man außerhalb Deutschlands schon Schwierigkeiten hat einen neuen Griff für diese Bremsen aufzutreiben - da muss man noch nicht mal die EU verlassen.

 

3. Einstellen

Ich bin regelmäßig durchgedreht wenn ich versucht habe die Bremsen korrekt einzustellen. Das Video von Magura dazu sieht relativ einfach aus. Dort ist das Rad aber auch schöne ohne Reifen in einen praktischen Montageständer geklemmt. In der Praxis funktioniert das dort gezeigte Vorgehen schlicht nicht. Ich bin kein Zweiradmechaniker, habe aber sicher auch keine zwei linken Hände und einigermaßen Verständnis von der Materie. Trotzdem ist es mir nicht mal eben so gelungen eine sinnvolle Einstellung der Bremsen vorzunehmen. Nicht zu letzt muss man entweder das Rad ausbauen um den Bremsklotz zu wechseln oder die Bremse eher umständlich abbauen und wieder anbauen.

 

4. Dichtigkeit / Undichtigkeit

3 von 4 Bremssystemen sind undicht geworden. Ich hatte zum Schluss ständig ölige Finger an beiden Händen, bei Lena war es zum Schluss die hintere Bremse, die am Griff Öl gelassen hat. Und das ist ein Schaden, den man nicht selbst beheben kann. Man kann zwar regelmäßig Öl nachfüllen, das ist aber nach kürzester Zeit wieder an die Finger verteilt. Das Bremsverhalten wird dann außerdem derart schlecht, dass man eigentlich sofort was unternehmen müsste. Ich für meinen Teil habe extrem schlechte Laune bekommen weil ich ständig mit nicht funktionierenden Bremsen fahren musste.

In Griechenland habe ich mir dann endlich V-Brakes gekauft. Und trotzdem das echt keine super guten Bremsen sind, war ich extrem betört, weil die einfach genauso bzw. besser gebremst haben als die Magura HS 11 als sie neu waren.

 

5. Hersteller Support/Kulanz und Robustheit

Wie bei vielen Dingen haben wir auch hier den Hersteller kontaktiert. Ich bin der Meinung, dass gerade die teuren Teile an den Rädern die Beanspruchung, die bei so einer Tour auf sie wirken, aushalten müssen. Manch einer könnte sagen: "Was willst du denn? Du fährst über 20 000km mit den gleichen Bremsen und willst dann noch Entschädigung, weil sie dann aufgeben?"

Ja, genau das will ich. Ich entscheide mich ja aus gutem Grund für eine Bremse, die etwa 3mal so teuer ist wie andere Systeme. Eben weil ich hohe Ansprüche habe und ich weiß, dass ich sie nicht mal eben einschicken kann um einen Gewährleistungsanspruch geltend zu machen.

Magura gibt angeblich 5 Jahre Garantie auf Dichtigkeit. Das klingt erstmal gut dachte ich.

In Wahrheit heißt das aber: 5 Jahr Garantie auf Dichtigkeit, wenn man die Bremse quasi nicht benutzt. 
Angeblich sind die 3 undichten Griffe durch äußere Krafteinwirkung verbogen, was dazu führt, dass der Kolben irgendwie, irgendwo schief sitzt und dort Öl austritt. Also kein Garantiefall. Wir sind zwar einmal gestürzt, aber das war in Bulgarien. Die ersten Undichtigkeiten traten in China auf - also diverse Monate und Klimazonen später. Und selbst wenn die Griffe wo auch immer mal etwas unsanft behandelt wurden, dann ist diese fehlende Robustheit eben ein Ausschlusskriterium für diese Bremsen auf so einer Tour.

Mittlerweile haben wir auch von einem Fachhändler gehört, das Magura wohl ganz selten diese 5 Jahre Garantie tatsächlich auch "gibt". Was uns da gesagt wurde ist wohl der Standard. Sobald auch nur ein Kratzer am Bremshebel zu sehen ist, weil man das Rad mal gegen eine Wand gelehnt hat wird die äußere Krafteinwirkung als Grund für die NICHT-Garantie herangezogen.

 

Keine Garantie oder Gewährleistung - Danke Magura
Keine Garantie oder Gewährleistung - Danke Magura

 

Nicht nur wir

Wir haben auch andere Radler getroffen, die mit ihren Maguras überhaupt nicht zufrieden waren. Ein französisches Pärchen bspw. hatte das gleiche hinter sich und war zumindest bei einem der Räder inzwischen auf V-Brakes umgestiegen und berichtete exakt das, was wir auch schon im Gefühl hatten: Die Bremsleistung ist quasi die gleiche und man benötigt genauso viel Kraft in den Fingern. Die angeblichen Vorteile gibt es also nicht. 

In Singapur fragte uns der Besitzer unseres Hostel ob wir zufrieden wären mit den Maguras.

Ich klagte ihm unser Leid und er nickte bestätigend mit dem Kopf und sagte, dass die meisten Radler die hier ankommen unzufrieden sind mit den Bremsen. Und das will was heißen - die Tree Inn Lodge (so heißt das Hostel) ist eines der beliebtesten für Fernradler, weil man hier als Radler 50% Rabatt bekommt. Das heißt dieser Typ hat schon mit vielen Radreisenden gesprochen.

 

Der große Vorteil

Eines ist unbestritten: Die Bremsbeläge halten schlicht ewig. Lena ist weit über 10 000km ohne Wechsel gefahren. Das ist wirklich beeindruckend und macht wohl keine andere Bremse mit.

 

Beim nächsten Mal

Würde ich wieder ein Fahrrad konfigurieren, dann würde ich auf mechanische Scheibenbremsen setzen. Die hatte ich selbst zwar nie im Einsatz, ich bin aber von den Vorteilen überzeugt. Das Rad kann nicht so starkt blockieren, wenn Schlamm im Spiel ist bzw. ist die Scheibe sehr schnell vom Schlamm befreit und bekommt erst garnicht so viel davon ab.

Die Einstellung ist in der Regel ein Kinderspiel. 

Einen Seilzug/Bremszug kann man fast überall auftreiben und ggf. kann man an dieser Bremse auch selbst noch was reparieren.

 

Zusammenfassung der Nachteile von Magura Felgenbremsen 

  • Mitnahme diverser Ersatzteile, sowie Ölwechsel-Equipment und Hydraulik-Öl nötig
  • Reparatur ohne Werkstatt fast unmöglich
  • erschwerte Demontage bzw. Aushängung im Vergleich zu anderen Bremsen (bei Schlamm zwischen Felge und Bremse blockiert das Rad sehr schnell und man braucht Werkzeug um das zu ändern)
  • Nicht robust genug. Vergleichsweise geringe Krafteinwirkung auf die Bremshebel führen zu Undichtigkeit und Ölverlust.
  • Bremsleistung nicht wirklich besser als bei anderen Systemen
  • teuer
  • schwer

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Kommentare: 1
  • #1

    Rüdiger Miertschink (Samstag, 09 Februar 2019 16:33)

    Mal richtig auskotzen ist immer gut, das hilft. Ja, die sog. Markenhersteller. Taugt oft nicht mehr als ein einfaches, altbewährtes Produkt. Kennt man z. B. auch bei Jeans: die "Marken-Jens" läuft 10 cm ein; die sti-no Jeans bleibt, wie sie beim Kauf war. Und dann der Service. Service in Deutschland? Fehlanzeige. Und es wird auf keine Fall besser.
    MAGURA wirbt ja mit dem Slogan "Die absolute Sorglosbremse". Vielleicht habt ihr das falsch verstanden. Gemeint ist sicher: Wer das Ding kauft, bei dem gehen die Sorgen los...
    Aber ihr habt dann ja alles richtig gemacht, weg den Scheiß, bewährtes Zeug dran, weiter fahren und beschweren.
    In diesem Sinne weiterhin viel Glück.