Ost-Tibet auf über 3.000m im November

Ost - Tibet 20.11.2017

Im November... ob das eine Gute Idee ist?

Ist es nicht viel zu kalt?

Diese Fragen kann ich mit Ja & mit Nein beantworten. 

 

Als wir uns nach einem höchst interessanten, tibetischen Frühstück von unserem Mönch (dessen Namen wir uns leider nicht merken konnten) verabschiedet hatten, sind es unangenehme - 4C°. Es geht nochmals für ca. 10km bergauf, keine Sonne aber dafür noch zusätzlich eisiger Wind. Oben angekommen gönnen wir uns eine kleine Verschnaufpause, doch nicht ohne Daunenjacke, zwei paar Handschuhe und ständiger Bewegung, da wir sonst zwei Eiszapfen werden würden. Also machen wir uns wieder auf die Strümpfe, abwärts. Bekanntlich wird es dabei nur noch kälter. Nach ein paar Kilometern rollen und bibbern, lässt Stefan tatsächlich noch mal Eva fliegen. Respekt, denn ich kann jetzt schon meine Finger kaum bewegen. Weiter gehts.

 

Leider habe ich meine Finger vorm losfahren nicht wieder gänzlich warm bekommen, dies rächt sich nun, da nützen auch ein dickes Paar Fingerhandschuhe Windstopper und eine paar dicke Fäustlinge nichts. Ich schlage meine Hände abwechselnd auf den Lenker, aber außer Schmerz, der mir durch die Hände schießt, passiert nichts weiter. Sie sind taub, ich kann kaum noch die Bremsen betätigen, ich versuche verzweifelt hinter Stefan zu bleiben aber der Abstand wird immer größer. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, zwischen Schmerzen, der Frage "was zum Teufel machen wir hier?" und dem Kampf meine Beine am Pedalen zu halten. Selbst die wahrscheinlich entzückenden Yak-Kälber am Straßenrand können mich gerade nicht erweichen. Glücklicherweise entscheidet Stefan auf einer kleinen Anhöhe anzuhalten bevor es weiter bergab geht. Ich weiß, wir sind ca. 300m tiefer und der Wind hat nachgelassen also muss es wärmer sein, aber ich kann nicht anders, ich kann nur noch weinen. Das Gefühl von völliger Erschöpfung und Überforderung überkommt mich und diese verdammten Finger...  Stefan steckt sich meine Handschuhe unter die Jacke und wärmt meine Hände mit den seinen. Es dauert eine Weile aber irgendwann höre ich mich selbst nur noch etwas schniefen und bekomme wieder ein bisschen Gefühl in die Fingerspitzen.

 

 

Als wieder alle 10 Finger warm sind geht es dick eingemummelt und mit Schoki im Bauch weiter hinab und mit jedem Meter wird es angenehmer. Endlichen kommt auch die Sonne wieder raus. Eva jagt noch ungewollt Yaks und Schafe über die Weiden und dann machen wir uns auf die Suche nach einer Mittags-Lokalität. 

 

Unsere Mägen füllen sich und an der Heizung wärmen wir uns auf, aber auch draußen sind es frühlingshafte Temperaturen. Selbst der Fließpulli wird uns zu warm. Es geht vorbei an Weideflächen, an Basketball spielenden Dorfbewohnern und immer weiter einem Pass entgegen. So macht das Radeln doch wieder Spaß! 

 

Den Pass wollen wir heute noch überwinden um dann irgendwo dahinter zu zelten. Gerade als wir aufgrund der Steigung in die niedrigeren Gänge schalten, vernehmen ich hinter uns einen langsam fahrenden LKW. Und Tatsache, der sieht nach genau dem richtigen Tempo von vlt. 11km/h aus. Er kommt näher, also heißt es jetzt schneller treten, immer wieder den Blick zurück und Tempo, Abstand und Festhaltemöglichkeiten abschätzen. Check. Keine zwei Sekunden später hänge ich an der Mittelachse und Stefan hinten dran. Ja, wir wissen das ist nicht ganz ungefährlich, aber ich nehme sofort Blickkontakt mit dem Fahrer auf, welcher freundlich grinst, winkt und ganz weit links fährt. So haben wir selbst in den Kurven noch jede Menge Platz zwischen uns und dem Seitenstreifen. Ich weiß, dass meine Kraft im linken Arm nicht ausreicht um mich bis auf den Pass ziehen zu lassen. Ich will das aber schaffen. Krampfhaft versuche ich meine Griffposition zu verändern und entdecke dabei, dass es viel leichter geht, wenn ich mich schieben lasse indem ich den Arm nach hinten durchdrücke! Auf diese Weise schaffe ich es bis nach oben. Stefan hat frühzeitig los gelassen um mich und den Truck zu filmen. Nun kommt er die letzte Steigung hinauf und ich erwarte ihn mit einem Belohnungs - Snickers. 

 

Dann geht es noch einige Kilometer abwärts. In Labrang angekommen, entscheiden wir uns unseren Tag mit einer Hostel - Übernachtung zu beenden. 

 

Um noch einmal auf meine eingangs gestellten Fragen einzugehen. Es ist saumäßig kalt aber auch traumhaft schön. Eine ganz eigene Winter  Schönheit. 

 

Lena

 



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Kommentare: 2
  • #1

    Rüdiger (Dienstag, 02 Januar 2018 10:25)

    Sehr gefühlvoll geschrieben. Mancher bekommt bestimmt vom lesen kalte Hände...

  • #2

    Viola (Donnerstag, 11 Januar 2018 11:51)

    Mein mütterliches Herz hält es wie schon in der Pfadi-Zeit:
    da du es erzählen kannst, hast du alles überstanden.
    Wünsche euch weiter viele erfolgreich bestandene "Abenteuer"!